Über das Zurückschlagen von Empörungswellen und eine seltsame Argumentation im Fall Rönne

Anstatt sich sachlicher Argumente zu bedienen, scheint es Mode zu sein, den Debattengegner durch Fürsprecher an den extremen Rändern zu diskreditieren. Bei der Diskussion um die Bachmann-Preis-Nominierung von Ronja von Rönne beherrschen beide Seiten diese fragwürdige „Argumentationstechnik“.

Von Anna-Mareike Krause liest und hört man viel Gutes und Kluges. Doch als die Nominierung von Ronja von Rönne für den Ingeborg-Bachmann-Preis bekanntgegeben wurde, verzichtete sie auf jegliche sachliche Argumentation, sondern suchte stattdessen Befürworter von Rönnes Texten am rechten Rand:

Obwohl sich Frau Rönne klar und deutlich von diesen rechten Gruppen distanziert und sich gegen die Kritik deutlich wehrt, bricht die Empörungswelle nicht ab. Hinweise, dass es sich dabei um einen klassischen Fall von „Guilt by association“ handelt, werden ignoriert und die Stimmen gegen Rönne werden immer lauter und extremer.

Als dann Antifa-Pfarrer Hans Christoph Stoodt zum Kampflied der Französischen Revolution ansetzt [Tweet wurde gelöscht], sehen viele darin eine eindeutige Morddrohung gegen Frau Rönne und eine neue Stufe der Eskalation.

Für Don Alphonso, FAZ-Blogger, ist dafür vor allem eine Person verantwortlich: Anna-Mareike Krause. Doch obwohl er ihr vorhält, „wegen einer nicht beeinflussbaren Verlinkung unter Hunderten eine Autorin und den Vorsitzenden der Bachmann-Jury in die Nähe von Rechtsradikalen zu stellen“, bedient er sich genau derselben Argumentationstechnik: Er stellt Frau Krause in die Nähe der Antifa, weil ihre Behauptungen von dieser Gruppe „ganz offen verbreitet“ werden.

Und er geht noch einen Schritt weiter: Obwohl Frau Krauses Twitterprofil eindeutig als privater Account erkennbar ist, bittet er die Pressestelle ihres Arbeitgebers tagesschau.de um eine Stellungnahme zu dem Fall. Ein Chef der entsprechend zuständigen Abteilung stellt überraschend klar: Dieser Account sei „privat“.

Ungeachtet dessen fordern in den Kommentaren die, die vor kurzem noch die Kündigung einer Autorin durch das Westfalen-Blatt verurteilten, nun von der ARD die Kündigung von Frau Krause. Natürlich.


Und die Rolle der Medien? Wird von Stefan Niggemeier berechtigterweise hinterfragt:

Ulf Poschardt von der WELT schreibt sich daraufhin in Rage, löscht aber dann doch einen seiner Tweets wieder.


Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Immerhin handelt es sich bei den Diskutanten nicht um irgendwelche „Empörten“ von der Straße, sondern um die „Social-Media-Koordinatorin von tagesschau.de„, eine Bachmann-Preis-Nominierte, einen FAZ-Blogger und den stellvertretenden Chefredakteur der WELT-Gruppe. Man fragt sich dann schon: Ist das die Diskussionskultur unter den „Eliten“, die uns als Vorbild dienen soll?

Und Ronja von Rönne? Verkündete heute morgen die Deaktivierung ihres Blogs. „Wer wissen will warum“ solle „solange twitter lesen“. Alternativ kann man auch einfach auf ihren nächsten Artikel in der WELT warten, in dem sie vermutlich von ihren eigenen Erfahrungen mit der Hasskultur berichten wird. Spätestens dann wird sich die Empörungsspirale wieder von Neuem anfangen zu drehen.


UPDATE am 30.05.2015, 23:25 Uhr: In einer früheren Version hieß es „(…) bittet er deren Chefin Christiane Krogmann von tagesschau.de um eine Stellungnahme zu dem Fall. Diese stellt überraschend klar: (…)“. Don Alphonso hat mich in den Kommentaren darauf hingewiesen, dass diese Darstellung falsch ist. Den Text habe ich nun geändert zu „(…) bittet er die Pressestelle ihres Arbeitgebers tagesschau.de um eine Stellungnahme zu dem Fall. Ein Chef der entsprechend zuständigen Abteilung stellt überraschend klar: (…)“.

UPDATE am 31.05.2015, 00:25 Uhr: Der Tweet von Antifa-Pfarrer Hans Christoph Stoodt mit der Aussage „Adel ist was für die Laterne“ wurde mittlerweile gelöscht.

UPDATE am 31.05.2015, 00:35 Uhr: Don Alphonso erinnert in einem weiteren Kommentar daran, dass man „Angriffe in historischer Verkleidung“ wie die des Antifa-Pfarrers nicht verharmlosen sollte. Das war auch nicht meine Absicht und bitte um Entschuldigung, falls dieser Eindruck in meinem Text entstehen sollte. Der (mittlerweile gelöschte) Tweet hatte durchaus den Charakter einer Drohung.

UPDATE am 31.05.2015, 11:00 Uhr: tagesschau-Redakteur Patrick Gensing verwendet zunächst dieselbe Argumentationstechnik und sucht rassistische Seiten, die Don Alphonsos Beitrag loben, zeigt sich dann aber in den Kommentaren selbstkritisch.

UPDATE am 31.05.2015, 11:05 Uhr: Hans Christoph Stoodt verteidigt seinen mittlerweile gelöschten Tweet in seinem eigenen Blog. Da er ihn anscheinend nicht selbst gelöscht hat, drängt sich die Frage auf, ob Twitter ihn entfernen ließ, nachdem er von anderen Nutzern gemeldet wurde.

UPDATE am 31.05.2015, 20:25 Uhr: Wer an diesem Sonntagabend noch ein paar deeskalierende Worte lesen möchte, findet sie aktuell nur bei Ronja von Rönne. Falls ich noch ähnliche Äußerungen der anderen Protagonisten entdecken sollte, trage ich sie hier gerne nach.

UPDATE am 01.06.2015, 11:45 Uhr: Sehr gut passend: Anna-Mareike Krause bei einem Panel der SMW Hamburg über die Diskussionskultur und den verschärften Ton im Netz (Video vom 27.02.2015, 60 Minuten).

UPDATE am 01.06.2015, 19:30 Uhr: Vielen Dank für die bisherigen Kommentare. Wer noch etwas ergänzen möchte, darf dies gerne bis morgen Abend tun. Dann werde ich die Kommentarfunktion schließen.

UPDATE am 02.06.2015, 22:00 Uhr: Wie gestern angekündigt, habe ich die Kommentarfunktion nun geschlossen. Wenn Sie Interesse an weiteren Artikeln von mir haben, abonnieren Sie doch meinen RSS-Feed oder folgen Sie mir auf Twitter. Vielen Dank.

UPDATE am 07.06.2015, 20:15 Uhr: Dieses Thema beschäftigt mich auch in einem weiteren Blogpost: Drei Punkte: Wie Anna-Mareike Krause mit dem Shitstorm hätte umgehen sollen

UPDATE am 21.06.2015, 16:50 Uhr: Die Tweets von Frau Krause, auf die ich im obigen Text verlinke, waren bis vor kurzem noch für Jeden öffentlich sichtbar, sind nun aber geschützt. Nur noch Follower, die von Frau Krause persönlich bestätigt wurden, können die Tweets sehen. Da ich bei einer Recherche grundsätzlich von allen Tweets und Webseiten Screenshots mache, wäre es mir möglich, die Links durch Bilder zu ersetzen, so dass die Tweets weiterhin für Jeden lesbar sind. Ich entscheide mich aber dagegen, weil ich Frau Krauses Entscheidung respektiere und ihr die Wahl lassen möchte, wer ihre persönlichen Äußerungen sehen darf und wer nicht.

UPDATE am 30.06.2015, 14:00 Uhr: Ronja von Rönne erklärt in einem Interview mit Alexander Bulucz von der Faust-Kultur-Stiftung noch einmal ihren Text Warum mich der Feminismus anekelt, der die Empörung ursprünglich auslöste: „Ich hatte Wut, auf einen Feminismus, der sich (in meiner Wahrnehmung) in seiner Performanz extrem unemanzipiert zeigt und sich bereitwillig in eine Opferposition kuschelt. (…) Alleinerziehende Mütter mit einer 40-Stunden-Woche ohne Kita-Platz haben deutlich mehr Gemeinsamkeiten mit alleinerziehenden Vätern ohne Kita-Platz als mit Diskurswolken über cis-Männer und professx. Und wenn solche Problemfelder weiterhin von Frauen vertreten werden, die Artikel mit ‚mich als Frau macht das betroffen‘ beginnen, verlieren sie jede Dringlichkeit.“

26 Kommentare zu “Über das Zurückschlagen von Empörungswellen und eine seltsame Argumentation im Fall Rönne

  1. Es wäre wirklich furchtbar nett, wenn Sie mich fragen könnten, bevor sie etwas Falsches veröffentlichen. Nachdem die Position von Frau Krause nicht klar war und die Nennung des Arbeitgebers immer so eine Sache ist – nicht unsonst steht davon auf meinem Privatblog gar nichts – habe ich bei der zuständigen Pressestelle gefragt. Geantwortet hat NICHT die Chefin, die Sie erwähnen, sondern ein Chef der entsprechend zuständigen Abteilung. Ich darf sie also freundlich bitten, das zu ändern.

    Dann: Es hilft Ihnen vor Gericht überhaupt nichts, wenn Sie einen alten Straftatbestand zitieren und dann einen neuen Namen einfügen. Ein Revolutionslied zu zitieren ist kein Problem, es zu aktualisieren schon. Damit geht nämlich der historische Kontext verloren und wird durch einen ganz persönlichen Kontext ersetzt. Bei einem Privataccount könnte man eventuell noch sagen: eine dumme Sache. aber wenn das dann auf den Account von Autonomen wandert, die zudem vielleicht den Kontext gar nicht mehr kennen, wird es das, was es ist: Ein Aufruf zur Gewalt gegen eine spezielle Person auf einer extrremistischen Website. Was man „an die Laterne“ noch differenzieren will, leuchtet – sic – mir nicht ein.

    Dass sich diese Website mit dem Thema beschäftigt, ist ohne jeden Zweifel auch der verkürzten Darstellung von Frau Krause geschudet – hier die angebliche RNF-nahe Autorin und da die Antifa-Seite. Dort entwickelt es sich dann weiter. Das ist das, was ich sage. Nicht mehr, nicht weniger. Dass es aber dazu kommt, liegt ursächlich in der von Frau Krause verbreiteten Unterstellung. Nebenbei habe ich auch noch diverse andere Personen genannt, die das ebenso verbreiten – man bekommt also nicht wie bei Frau Krause ein eingeschänktes Bild, sondern eine ausgesprochen umfassende Darstellung des vorgangs.

    Schlüsse darf jeder selbst ziehen.

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    • Danke für den Hinweis. Da Sie auf Ihrem Blog schreiben… “Auf eine umfassende Anfrage läßt der Leiter von tagesschau.de lediglich wissen, (…)” …bin ich davon ausgegangen, dass Sie die Leiterin Christiane Krogmann meinen. Ich habe die entsprechende Stelle im Blogpost soeben transparent korrigiert und bitte den Fehler zu entschuldigen.

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      • Vielen Dank.

        Eine Kleinigkeit vielleicht noch: Was derartige Aufrufe angeht, habe ich vielleicht doch etwas mehr Erfahrungen als andere Journalisten – einfach vor dem Hintergrund, dass ich lange Jahre ausschliesslich für jüdische Medien tätig war und damit, wenn es etwa um die FPÖ ging, natürlich auch bedacht wurde, Es ist wirklich eine gängige Methode von Rechtsextremisten, neue Angriffe in historischer Verkleidung zu bringen und sich entweder auf die Freiheit der Kunst zu berufen, oder das Recht des Zitats für sich in Anspruch zu nehmen, weil da die Grenzen sehr viel weiter gesteckt sind. Allein, das wird regelmässig vor Gericht beiseite gewischt und ich verstehe wirklich, beim besten Willen nicht, warum das, was bei Nazis jeder sofort verächtlich wäre, in diesem Kontext plötzlich als lässliche Sünde gelten sollte.Also wirklich überhaupt nicht. Wenn man so etwas den Linken zugesteht, gäbe es auf der rechten Seite unendlich viel Material, mit dem man jeden anderen ähnlich mit Gewaltwünschen bedenken könnte.

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    • Das Wort »hacken« ist im Kontext CCC-Kongress ganz offensichtlich in der Bedeutung »deren Rechner sollte man mal lahmlegen« gemeint. Das hat mit einer Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit nichts zu tun.

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  2. „Es muss Raum für Fehler geben,“ schreibt Don Alphons auch unter seinem Beitrag, als sich darunter nun auch wieder einige falsch schwärmende Applaudeure versammeln. Gehässigkeit schafft Feindschaft, dementsprechend auch eine Multiplikation der „schwarzen Rhetorik“.
    Was auffällt, ist genau dieser Punkt: „Man fragt sich dann schon: Ist das die Diskussionskultur unter den ‚Eliten‘?“ Genau darüber wäre mal zu reden. Die fahrlässige Schwerstverletzung durch Worte ist, scheint mir, schon ein Zeichen der Zeit. Beleidigen scheint Lust zu bereiten, macht auch den jeweiligen Fangruppen Lesefreude.
    Die Unbedarftheit und die Freude daran scheinen zuzunehmen, vielleicht weil das Schreiben hauptsächlich als Sprechen praktiziert wird. Das beginnt in diesem Fall schon bei von Rönne. Ihr fahrlässiger Stil findet erstaunlich viel Zuspruch, obwohl oder weil sie maximal naiv drauf los redet, dass die Schwarte kracht, immer ein bisschen zu viel der Worte raussprudelnd, reich an Gefühligkeiten und arm an Nachdenken über die eigenen Argumente, geschweige denn bei irgendetwas innehaltend, was bei voll funktionierendem Schreibbewusstsein keiner schreiben würde.
    Aus diesem stolzen Wohlfühlen im eigenen, raschen Plappern heraus kommt es dann eben auch zu verbalen Kanonenschüssen wie „Warum mich der Feminismus anekelt“. Das kann sie ja schreiben, aber nach meiner Einschätzung nur, wenn sie beim Schreiben mit dem Denken aufhört und so nicht merkt, wie ungeheuer sie da gerade formuliert.
    Pauschalisierung und die fatale Freude am „Ich sag das jetzt einfach mal so“ sind in dieser Staatsaffäre schon dort vorhanden. (Nebenbei: Der Kern des Artikels ist nicht einmal der Hass auf den Feminismus, sondern die Ablehnung jeder Solidarität mit irgendwelchen „Unterprivilegierten“: „ich bin Egoistin“ etc etc. Rönne schreibt sich da ja eigentlich ein Manifest der Entsolidarisierung mit allem und jedem Anliegen von der Seele, bei dem mir damals beinahe das Herz still stand, weil so viel schamloser Bekennermut zur Kraft des eigenen Ellbogens lange nicht mehr zu lesen war.)
    Und so geht das dann eben weiter. Ein feindseliges Wort reicht, um Feindschaft zu schüren. Dann gleichen sich auch die Waffen, die Übertreibungen im Ausdruck, die Unterstellungen, das gezielte Uminterpretieren.
    Der Tweet von Anna-Mareike Krause wurde dabei offenbar in seiner Stoßrichtung gar nicht komplett verstanden. Die Hauptstoßrichtung war ja die Jury. Von Rönne steht bei Krause augenscheinlich auf der Liste derer, mit denen sie nicht länger diskutiert, sondern die sie fertig machen will, und deshalb wollte sie augenscheinlich die Jury angreifen und einspannen. Krause wollte in Klagenfurt gehört werden und dort eine Wettbewerberin von vornherein desavouieren, egal was sie dort vorlesen würde. Das ist nur teilweise gelungen, die Jury hat es noch nicht richtig getroffen. Oder hat da jemand reagiert? Kann noch kommen. Könnte auch noch zu einer Politisierung der diesjährigen Veranstaltung führen, wo es dann eben nicht mehr um Qualität geht.
    An sich sind solche Saalschlachten ein Mittel, sich über Fehler aufzuklären, sobald die Welle abklingt und die Reflexion für den Nachhall sorgt. Leider sind dabei alle diejenigen, die mit einer betonharten „Parteilichkeit“ talentiert sind, psychologisch im Vorteil, weil per se unnachgiebiger und „keiner Schuld bewusst“. Don Alphons als Feind der Ideologie-Burgen macht in seinem Blogbeitrag eher den Eindruck, dem Differenzieren aufgeschlossen zu sein: „Es muss Raum für Fehler geben“. Anna-Mareike Krause scheint mir eher der Typus, der mit flatternden Fahnen Partei ergreift und dann die Übersichtlichkeit von Gut und Böse, Freund und Feind genießt. Ob sie die Problematik ihrer Aggressivität durchschaut? Oder weiter mit jeder Form von spitzfindig ausgedachter schwerer Munition auf alles schießt, was sie gerade für böse hält?
    Ach noch eins, der „Disclaimer“ von Anna-Mareike Krause hat es natürlich auch in sich. Der ist schlau konstruiert: Sich erst als „Somebody“ im Medienzirkus wichtig machen (fast 4.000 Follower hat man heute eben, wenn man bei einem Leitmedium Redakteur ist und im Netz eine gewisse Präsenz entfaltet), sich dann aber per salvatorischer Klausel den Freifahrtschein für jede Form von Meinungsmache ausstellen. Der Hinweis auf die Rolle bei der ARD wäre ja überhaupt nicht nötig gewesen, aber den fand sie eben doch hilfreich für die eigene Profilierung. Machen viele so, aber längst nicht alle, und die es nicht machen, haben fast regelmäßig deutlich weniger Einfluss in Social Media. Da wird eben Wichtigkeit bewusst geerbt. Und das wäre dann schon eine Frage an die ARD und die Policy, die sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Punkt vielleicht auferlegen sollte.

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    • Vielen Dank für Ihren Beitrag und den Hinweis auf die eigentliche „Hauptstoßrichtung“ von Frau Krauses Tweet. Das hatte ich in meinem Blogpost versäumt zu erwähnen.

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    • Sehr guter Kommentar zu dieser Angelegenheit. Besonders auch zum Punkt „ich bin ja bei der ARD, aber hier ganz privat unterwegs“ von Frau Anna-Mareike Krause.

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  3. Debatten gegen die Meinungsvielfalt und -freiheit | InKladde

  4. Man sollte das Geschehen um die Causa Krause/Rönne/Protestantisches Pfarrhaus nicht zu hoch hängen. Das ist im Netz am Ende auch nur eine der Säue, die durchs Global Village gejagt werden, das ist weißes Rauschen, das bleibt nicht, ist morgen vergessen, kurze Interferenzstörung, bis zur nächsten Erregungspose und am Ende erfolgt abklingender Bocksgesang. Aber wie es mit den medialen Aufregungen nun einmal ist – das verselbständigt sich zunächst. Leider. Jedoch in einem Jahr fragen die Menschen „Welche Krause? Horst? Ist doch ʼn Mann“ „Ronja wer?“

    Ronja von Rönne schrieb heute auf ihrer Facebookseite fast schon versöhnliche Töne. Plädierte gar „Für die Freiheit, dummes Zeug zu reden! Und absolut DAGEGEN, alles wörtlich zu nehmen, wörtlich zu lesen, …“ Das freilich scheint mir keine gute Voraussetzung für einen Literaturpreis, denn Literatur und Text erfordern nun einmal: Komposition, Arbeit, Anstrengung, Konstruktion. Für ein provokantes Feuilleton mag es reichen, das sich die „Welt“ online und billig einkauft. Für Literatur nicht. Der einhundertundachte tigerjagende, raktenangelnde Hildesheimer Pop- und Schnoddersound ist denn doch nur langweilig und ohne ästhetische Bedeutung. Jemand wie Rönne kommt und geht wieder. Das verbrennt sich schnell. Es wird ihr aber egal sein. Dieses Lebensprinzip hat dann fast wieder etwas Erfrischendes.

    Genauso furchtbar jedoch wie der Unwille und die Unfähigkeit zur ästhetischen Form ist die Gesinnungsliteratur, wie sie der Don Camillo Peppone aus Frankfurt fordert. Wer Texte der Kunst nach ihren politischen (natürlich linken) Gehalten bewertet, bleibt ein „Schulfall von Banausie“ und dem Amusischen verhaftet. Was soll man dazu noch sagen: „Jesus, meine Zuversicht“ anzustimmen? Oder eher ein christliches Weihnachtslied: Es ist ein Stuß entsprungen. Wer Schriftsteller übrigens nach ihrer politischen Gesinnung bewertet, wird mit Schriftstellern wie Brecht, H. Kant und Seghers arge Probleme bekommen.

    Bedenkenswert und richtig ist der Kommentar von „write2gether“. Krauses Tweet ging natürlich dahin, daß so eine wie die Rönne keinen Preis erhalten kann und darf. Taktisch dumm von Krause, die, wenn sie die Texte Rönnes denn kennte, davon ausgehen sollte, daß Rönne mit ihrer Schreibe gewiß keinen Preis erhalten wird, sofern sie sich ihren Ton, den sie bisher schrieb, nicht abtrainierte.

    Nachtrag: In meiner konservativen Gesinnung, die dem Internet mißtraut, hätte ich fast „Tweed“ geschrieben. Very British.

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  5. Was zu neulich | Der letzte Biss

  6. Hat dies auf digitalereintopf rebloggt und kommentierte:
    Ein – wie ich finde – recht neutraler Artikel zum Thema Ronja von Rönne und alles was damit zusammenhängt. Besonders aufschlussreich sind die Updates am Ende des Artikels. Und ja, wenn es nicht so traurig wäre, könnte man herzhaft darüber lachen. Ich habe getan, sorry.

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  7. Die Bachmann-Texte dürfen vor der Veranstaltung gar nicht bekannt sein. Das gehört zum Modus, aus naheliegenden Gründen. Die Jury muss extemporieren.
    Interessant finde ich, was Bersarin hier mitteilt, nämlich was von Rönne auf Facebook zu ihrer Schreibhaltung schreibt: „„Für die Freiheit, dummes Zeug zu reden! Und absolut DAGEGEN, alles wörtlich zu nehmen, wörtlich zu lesen, …“
    Dem Prinzip nach würde ich das unterstützen. Im Netz darf man gar nicht alles auf die Goldwaage legen – es ist ein Hort der Spontaneität und hat als solcher auch seinen Wert. Bei Artikeln, die in der Welt erscheinen, gedruckt und online, geht das nicht. Allerdings …
    … könnte es sein, dass hier gerade der nächste Riss in der Geschichte der Anwendung der deutschen Sprache beginnt. Nachdem der konversationelle Ton aus den USA in die Sprech- und Schreibhaltung der Gegenwart eingewandert und schon mehr oder minder zum guten Ton geworden ist, könnte die nächste Aufweichung des Verbindlichen durch die Youtuber-Generation eingeleitet werden, die viel und schnell reden und jeden Satz mit in ihrem Gesichtsausdruck „emojisieren“. Als „gefälliger Stil“ empfindet die junge Generation dann die übertriebene Geste, die überdeutlichkeit im Ausdruck, die effektvolle Zuspitzung und nicht zuletzt, dass alles eine klare einfache Richtung hat, wo früher eher abgewogen wurde.
    Nur eine Vermutung, kann man dann beim Bachmannpreis überprüfen, aber es könnte eben sein, dass mit Rönne diese auf Youtube gelernten Haltungen in die Literatur einwandern (was sie in der Kreisklasse der Amateur-E-Book-Schreiber vermutlich sowieso schon tun.)
    Lieber Himmel, wenn man sein Lebtag womöglich auf der Suche nach dem Tiefen und Schönen in der Kunst war …
    übrigens glaube ich nicht, dass von Rönne so schnell wieder verschwindet. Sie schreibt ja durchaus einfallsreich, hat einflussreiche Unterstützer, nunmehr auch ein wenig Bekanntheit, irgendwann in den nächsten Wochen sieht man sie in einer Talkshow als „Stimme ihrer Generation“ – schon im Herbst könnte es ein Buch in einem Bertelsmann oder Holtzbrinck Verlag geben. Das ist eine Frage des Managements. Wenn sie „Over-Exposure“ vermeidet und die Sache ein klein wenig solide angeht, für ihr ersten Buch ein gutes Thema wählt, dann ist sie in 2 bis 3 Jahren eine gesuchte Cross-Media-Publizistin mit einigem Marktwert.

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  8. Solche eine Hatz geht gar nicht. Allerdings hat Frau Rönne mit ihrem Artikel selber schon die Latte so tief gelegt, das dieser mediale Niveaulimbo eben schneller als sonst den absoluten Tiefpunkt erreicht.

    Wenn man sich jedenfalls Frau Rönnes Artikel anschaut, dann schlägt sie schon recht harte Töne an.

    „Ich bin keine Feministin, ich bin Egoistin. Ich weiß nicht, ob „man“ im Jahr 2015 in Deutschland den Feminismus braucht, ich brauche ihn nicht. Er ekelt mich eher an.[..] Ich habe einfach selbst noch nie erlebt, dass Frausein ein Nachteil ist.“ […] Ich finde den Hashtag #aufschrei albern“

    „“Aber du musst doch mal an die anderen denken!“, flötet mir der Feminismus zu. „All die alleinerziehenden Mütter, all die Frauen, die immer noch unterbezahlt werden.“ Das irritiert mich. […] Feminismus eine Charityaktion für unterprivilegierte Frauen geworden, […] Empörungskultur, die sich fester an die Idee der Gleichheit klammert als jedes kommunistische Regime.“

    Die Reaktionen sind jedenfalls so falsch wie so vorhersehbar waren.

    MfG

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    • Ohne Zweifel ist der Text von Frau Rönne, war er so gemeint, eine menschliche Katastrophe. Eine Entschuldigung dafür, wenn es nicht nur ihre Absicht war, genau die nun beklagte Welle auszulösen, ist ihre Jugend und das armselige Medium für das sie geschrieben hat. Weiter oben wurde gefordert erst nachzudenken und dann zu schreiben. Klingt gut, aber diese Forderung ist so alt wie die Erfindung der Schrift, mithin hoffnungslos.
      Was mich jedoch maßlos aufregt ist die bei Frau Krause offenbar vorhandene Einbildung, unter Hinweis auf ihren Arbeitsplatz, als sei das eine besondere Qualifikation, derlei unbarmherzig verfolgen zu müssen. Und ja, wenn sie darauf hinweist, dann benutzt sie diese Arbeitsplatz als Ausdruck einer besonderen Legitimierung. Niemand vergesse, dass gerade die Öffentlich-rechtlichen, mit dem penetranten Hinweis auf die deutsche Vergangenheit, ihre Berechtigung daraus beziehen zu meinen, genau solche Vorgänge vereiteln zu müssen. Was ist aus: `Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.`geworden?

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  9. Es heißt, es werde zu wenig gelobt in dieser Welt – also bekunde ich erst mal meinen Respekt für diesen Blog-Beitrag und dessen Diskussion. Einfach wichtig. Wir müssen vermutlich alle ständig an unserer Medienkompetenz arbeiten. Für mich jedenfalls zeigt nicht nur diese Debatte: Gestritten wird weniger über Inhalte, sondern eher – und meist leidenschaftlicher -über Formfragen.

    Unübetroffen reizvoll aber scheint die hemmungslose Personalisierung zu sein. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass die komplizierten Themen ganz schnell zu persönlichen Glaubwürdigkeits-Debatten stilisiert werden. Man lädt die eigene Position mit symbolischer Follower-Power auf („Hauptberuflich US-Präsident, Hier: privat“) und rückt die Gegner in reputationsschädliche Ecken („Dieser Beitrag gefällt auch den Hells Angels und der FIFA“). Tja, was stattdessen tun? Argumentieren? Auf Voltaire – bzw. E.B. Hall – besinnen, wie einer der Mit-Kommentatoren gerade? Ja, vielleicht …

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  10. Debattenkultur am Beispiel “Feminismus und Ronja von Rönne” « SpiegelKritik

  11. Wahrheit weg

  12. Drei Punkte: Wie Anna-Mareike Krause mit dem Shitstorm hätte umgehen sollen – Annette Baumkreuz

  13. Kommentar: Geschichten entstehen aus Verständnis

  14. Der Bachmannpreis 2015: Mediale Aufregung um Ronja von Rönne

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